Im Taunus tut sich was

"Aktionstag mit Vorbildcharakter" und Kult um den Apfel


Das rund 10 000 Einwohner zählende Wehrheim und die kleine Landstadt Usingen im Taunus machen derzeit viel von sich reden, geht es um Landwirtschaft und die Menschen, die in des Wortes doppelter Bedeutung von ihr leben.
Zu einer Raps-Rallye mit bundesweitem Vorbildcharakter hatte das Usinger Amt für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft eingeladen und Wehrheim war gleich Schauplatz zweier publikumswirksamer Ereignisse: die Taunusgemeinde war eine der Stationen auf der rund 40 Kilometer langen Apfel-Kult-Tour und erlebte nach Einschätzung aller Beteiligten zudem mit dem Aktionstag der Wehrheimer Landwirte eine Premiere. Beide Ereignisse werden von Praktikern und Agrarbeamten als Schritt nach vorn eingeschätzt. So meint Beate Etzel aus Wehrheim die Apfel-Kult-Tour verleite die Menschen zwar nicht dazu, tiefschürfende Gespräche über den Apfel anzustellen. Dennoch vermittle das Rundumerlebnis (die Entdeckung der Landschaft auf dem Fahrrad, Gespräche und Infotafeln auf Erzeugerbetrieben), welchen Rang die Pflege und der Erhalt einer möglichst vielfältigen Kulturlandschaft habe. Dr. Karlheinz Heckelmann, Leiter des Usinger Amtes für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft bezeichnet solche Aktionen als mittlerweile mindestens genauso notwendig wie die tägliche Produktion. Allerdings verweist auf eine Schieflage: "In den Forstverwaltungen wird für die Öffentlichkeitsarbeit zusätzliches Personal eingestellt. In der Landwirtschaft muss bisher der Landwirt selber ran." Die Möglichkeit, in diesem Bereich neue Arbeitsplätze zu schaffen, schloss Thomas Groll nicht aus. Diese müssten aber über Sponsoren finanziert werden. Groll ist Geschäftsführer der drei Bauernverbände Wetterau, Hochtaunus und Frankfurt

 

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Feature Aktionstag Wehrheim

 

"Das ist ein ganz freches Schaf. Es hat gerade in meine Hose gebissen", beschwert sich die elf Jahre alte Natalie Becker aus Wehrheim. Das aufgeweckte Mädchen ist eins von 400 Schulkindern der Wehrheimer Limesschule, die während des Aktionstages der Wehrheimer Landwirte einen sozusagen ganzheitlichen Kontakt mit Kühen, Schweinen und Pferden hatten.



"Ich bin doch kein Huhn", lacht Natalie über die Frage, ob sie wohl sonst etwas mit der Landwirtschaft zu tun habe. Nein, ihre Eltern haben keinen Hof. "Aber im Fernsehen kommt immer mal was über Bauernhöfe. In der Sendung mit der Maus", erklärt Natalie. Und den Aktionstag findet sie toll. Der Tag, den die Wehrheimer Landwirte zusammen mit dem Amt für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft (ARLL) in Usingen vorbereitet haben, bietet nicht nur Natalie alles rund um Wolle, Milch, Raps und Honig. Die Schafe haben es der jungen Wehrheimerin besonders angetan. Während die Tiere im Pferch selbst neugierig ihre Köpfe ans Gatter drücken, liegen auf einem benachbarten Stand die verschiedensten Felle aus.


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Angetan von der Idee des Aktionstages sind auch Petra Will und Monika Bernard. Petra Will vertritt die Landesvereinigung für Milch und Milcherzeugnisse in Hessen und wirbt an Schulen und Kindergärten für hessische Milcherzeugnisse. Sie bezeichnet den Aktionstag als Vorbild für andere Regionen Hessens. "Soweit ich weiß, hat es ein solches Angebot bisher hier nicht gegeben", sagt sie während sie zusammen mit Adelheid Poggendorf an die Schulkinder kleine Deckelgläser mit Schlagsahne verteilt.



Die Kinder stehen in Pulks vor dem Stand und schütteln um die Wette. "Nach rund fünf Minuten wird daraus Butter ", erklärte die Ernährungswissenschaftlerin. Sie öffnet ein Glas. Darin liegt ein gelber Brocken Butter in einer milchigweißen Flüssigkeit. "Das ist Buttermilch", setzt Will nach. Ihre selbstgewonnene Butter können die Kinder mit nach Hause nehmen.



Monika Bernard unterrichtet Sachkunde an der Limesschule. "Landwirtschaft spielt schon eine gewisse Rolle im Unterricht. Besuche auf Bauernhöfen gehören zum Programm und werden entsprechend vorbereitet. Für die Kinder ist es ein tolles Erlebnis", sagt Bernard. Für einige der Kinder sei die Materie nicht fremd, da sie von Landwirtsbetrieben stammen, für die meisten sei es aber ein Abenteuer. Und der Aktionstag, der zum ersten Mal in Wehrheim veranstaltet werde, sei hervorragend geeignet, die Landwirtschaft in ihrer Vielfalt vorzustellen.



Die Verbindung zwischen Schule und Landwirtschaft greift auch Thomas Groll auf. Der Geschäftsführer der drei regionalen Kreisbauernverbände Hochtaunus, Wetterau und Frankfurt weist auf das Projekt Schulbauernhof hin, mit dem in nächster Zukunft Schüler die Möglichkeit haben sollen, Landwirten während ihrer Arbeit direkt über die Schultern sehen zu können.


"Damit das nicht an einzelnen Betrieben hängen bleibt, soll es einen Wechsel geben", meint Groll. Den Aktionstag, der zumindest im Einzugsbereich der drei Bauernverbände Premierencharakter habe, bezeichnet er als gutes Mittel, die Trennung zwischen den Landwirten und der Restbevölkerung zu überwinden.



"Im Vordergrund steht ganz klar die tägliche Produktion, aber Öffentlichkeitsarbeit ist ebenfalls notwendig geworden", macht Dr. Karlheinz Heckelmann deutlich. In der Landwirtschaft müsse dies der Landwirt eben selbst in die Hand nehmen. "Das ist anders als in der Forstverwaltung, wo speziell für Schulführungen oder ähnliche Angebote Leute abgestellt werden können", setzt der Leiter des Usinger ARLL nach.


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