Erdbebenhilfe: Apotheker wehren sich gegen Vorwürfe
Aus Sachsen sollen abgelaufene Medikamente in der Türkei
angekommen sein / Döbelner: Nur sterile Katheter waren um zwei Monate überlagert
Döbeln/Dresden/Izmit. Sächsische Apotheker wehren sich gegen Vorwürfe, sie hätten
überlagerte Medikamente für die Erdbebenopfer in der Türkei geliefert. Diese Kritik war
von Hilfsorganisationen vor Ort aufgekommen. Große Teile der Sachspenden seien
unbrauchbar oder gar gefährlich gewesen, hieß es. Ulrich Bethke, Geschäftsführer des
Sächsischen Apothekerverbandes, äußerte sich gegenüber unserer Zeitung entsetzt:
"Ich frage mich, wie Apotheken, die erst seit 1990 bestehen, überlagerte
westdeutsche Produkte von 1988 geliefert haben sollen. Wo bleibt da die Logik? Woher
sollen unsere Apotheker diese Mittel haben?" Auch das veraltete Verbandsmaterial - in
der Türkei waren Verbandspäckchen von 1969 aufgetaucht - sei westdeutscher Herkunft
gewesen. "Das kann kein sächsischer Apotheker geliefert haben", sagt Bethke.
Der Döbelner Apotheker Frank Leutert ist verbittert. "Ich kann es einfach nicht
fassen. Wir wollten nur den Erdbebenopfern helfen. Und nun das." Das
Mindesthaltbarkeitsdatum der Hilfsgüter, die er geliefert habe, soll längst abgelaufen
gewesen sein, lautete der Vorwurf von Wilhelm Langhardt, der als Leiter der
Mannesmann-Niederlassung in Izmit die Spenden aus Sachsen kontrolliert hatte. Die Erde in
der Türkei hatte am 17. August gebebt, Tausende Menschen starben. In Deutschland startete
eine Welle der Hilfsbereitschaft. Frank Leutert hatte Ende August postwendend auf den
Hilfsaufruf des Landratsamtes Döbeln reagiert. "Wir bekamen eine Liste mit
benötigten Gütern gefaxt. Viele Dinge, wie zum Beispiel Sauerstoffflaschen, führen wir
nicht. Deshalb habe ich extra eine Lieferung Handschuhe bestellt, um helfen zu
können." Der Apotheker listete für den Zoll säuberlich auf, welches Material er
bereitstellte: Urinmessgläser, Handschuhe, Absaugkatheter und weiteres Zubehör im Wert
von rund 250 Mark. Lediglich bei den Absaugkathedern wäre das Verfallsdatum um zwei
Monate überschritten gewesen, räumt Leutert ein. "Aber das ist völlig
unbedenklich, denn die Katheter sind steril verpackt und waren komplikationslos zu
verwenden." Der Döbelner gab das Paket mit den Hilfsgütern in der Sammelstelle des
Landratsamtes ab. Von dort aus wurde es über Dresden in die Türkei geschickt. Die
Vorwürfe kann sich der Apotheker nicht erklären. "Ich habe ein reines Gewissen.
Alle Sachen, die ich gespendet habe, waren uneingeschränkt verwendbar." Er werde
sich künftig genau überlegen, ob er sich noch einmal an Spendenaktionen beteilige.
Leutert: "Jetzt können sich ja alle freuen, die nicht mitgemacht haben, während wir
am Pranger stehen."
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