Dr. Martin Bach (l.) und Professor Hans-Georg Frede hoffen auf die Vernunft der Politik
Dr.Martin Bach (l.) und Professor Hans-Georg Frede hoffen auf die Vernunft der Politik. Bild:v.Gallera

Von Christoph von Gallera

GIESSEN. "Bislang hatte die Politik ihre Entscheidungen bei agrarpolitischen Fragen offensichtlich eher aus dem Bauch heraus als auf echten Datengrundlagen getroffen", skizzierte der Gießener Agrarwissenschaftler   Hans-Georg Frede die Bekanntgabe eines neuen Hilfsmittels, mit dem genau dieser Zustand beendet werden könne. ELLA für die Artenvielfalt, SWAT für die Wassermodellierung und ProLand für die wirtschaftlichen Vorgänge seien rechnergestützte Programme, mit denen nun bis ins kleinste Detail Folgen verschiedener Landnutzungskonzepte berechnet werden könnten.

Frede ist Leiter der Professur für Landeskultur am Interdisziplinären Forschungszentrum der Justus-Liebig-Universität Gießen und gleichzeitig Sprecher des 1997 gegründeten Sonderforschungsbereich (SFB) 299 "Landnutzungskonzepte für periphere Regionen". In diesem Forschungsbereich seien seit mehreren Jahren Forscher aus unterschiedlichen Wissenschaften damit befasst, unter anderem neue Methoden und Modelle für Fragen in der Landwirtschaft und Landschaftsplanung zu entwickeln. "Die Bereitschaft der Bevölkerung beispielsweise die Artenvielfalt finanziell zu unterstützen ist weit aus höher, als zum Beispiel sich dies in der Förderung entsprechender Tätigkeiten durch staatliche Mittel niederschlägt³, nannte Frede eine Erkenntnis der jüngsten Forschungsergebnisse des SFB 299. "Als Modellregion hatten wir das Lahn-Dill-Bergland ausgesucht. Dieses Gebiet ist exemplarisch für den Rückgang der Landwirtschaft und die Folgen für die Landschaft", erklärte Frede. "In der neuen Agrarpolitik fällt unter anderem das Wort der Schlagverkleinerung. hat ein Landwirt zum Beispiel ein zwei Hektar großes Feld und hat dies bisher in einem Arbeitsgang bewirtschaftet, so sieht die neue Ordnung vor, dass diese Fläche aufgeteilt wird, und der Landwirt nun zwar immer noch zwei Hektar hat, diese Fläche aber aufgeteilt wird. In derPraxis fallen dann die gleichen Arbeitsgänge zweimal an. Neben den doppelten
Kosten für den Landwirt haben wir es dann auch noch mit den entsprechenden Folgen für die Umwelt zu tun. Das kann nicht wirklich gewollt sein", erklärte Frede. So wie hier die Folgen neuer Agrarpolitik am tatsächlichen Bedarf orientiert werden sollten, solle dies auch mit der politisch gewollten Umweltleistung der Landwirtschaft geschehen, erklärte Dr. Martin Bach, Koordinator des SFB 299. Die Entwicklung solcher Modelle sei überhaupt erst nur durch die moderne Rechnertechnik möglich geworden. "Wir haben eine immense Zahl an Daten verarbeitet, um die Grundlage für dieses mächtige Werkzeug zu schaffen³, so
Bach. Bei der Untersuchung ihrer ausgewählten Landschaft an der Aar hatten die Wissenschaftler unter anderem herausgefunden, dass den Menschen in der Region um den mittelhessischen Fluss zu allererst gutem Trinkwasser, der Wirtschaftskraft in ihrem Gebiet und dann in Reihenfolge der "landschaftstypischen Artenvielfalt" sowie dem Erhalt der Kulturlandschaft Bedeutung beimaßen. Alle vier Punkte seien wichtig, aber eben in dieser Rangfolge.

Bezogen auf agrar- und umweltpolitischen Maßnahmen gehen Frede, Bach und ihre Mitstreiter davon aus, dass "möglicherweise in der Politik Pläne gemacht werden", die vielleicht gut gemeint seien, aber mangels Kenntnis der wahren Sachverhalte an den tatsächlichen Bedürfnissen der betroffenen Bevölkerung vorbei gingen.

"Unsere Aufgabe ist primär nicht die der Politikgestaltung. Aber wir hoffen darauf, dass in Politik und Verwaltung erkannt wird, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um politische gewollte Ziele tatsächlich mit den Bedürfnissen der Bevölkerung in Einklang zu bringen2, stellte Frede abschließend fest.

Weitere Infos zur Arbeit des SFB 299 gibt es unter der Internetadresse
www.uni-giessen.de/sfb299