"Wir sind die echten Grünen" lautet ein geflügeltes Wort unter Landwirten, geht es um Beschlussfassungen und Planungen für landschaftliche Entwicklungen. Eine Lanze für die Landwirtschaft als Bewahrer unserer Kulturlandschaft brach in der Aula der Justus-Liebig-Universität Gießen Professorin Annette Otte. Sie trug dort im Rahmen der Sommersemesterreihe "Lebenswissenschaften" des Universitätspräsidenten Gedanken über Artenschutz durch Landwirtschaft vor.

Die Wissenschaftlerin hat am Institut für Landeskultur die Professur für Landschaftsökologie und Landschaftsplanung inne. Im Rahmen der Forschungen ihrer Professur befassen sich ihre Mitarbeiter unter anderem mit dem Lahn-Dill-Bergland. Der Grund: "Dort haben wir es mit einer äußerst extensiv betriebenen Landwirtschaft zu tun", sagte Otte. Sie sprach von Landwirten, die höchstens noch im Nebenerwerb oder gar als "Hobbylandwirte" nur noch tätig sein, insgesamt sei das Lahn-Dill-Bergland ein Gebiet der peripher betriebenen Landwirtschaft. Und genau deswegen sei es im Brennpunkt der Forschungsarbeiten. "Dort, wo wie in der Wetterau sich die Landwirte weniger über ihre Existenz sorgen machen müssen, sind auch die Probleme der verschwindenen Arten geringer", wies sie auf den direkten Zusammenhang zwischen der Pflege der heute bekannten Landschaftsformen und den Aktivitäten der Landwirtschaft hin. Als plakatives Beispiel brachte sie die Vorgänge im Biospärenreservat Rhön. Dort habe sich das Birkhuhn angesiedelt, weil es die durch landwirtschaftliche Arbeit entstandenen Flächen liebt.. Die Existenz des Birkhuhns habe die Naturschützer auf den Plan gerufen. Der Lebensraum sollte erhalten werden. Also wiurde Schutzzonen ausgewiesen. Mit dem Erfolg, das dort wo die Natur sich wieder ungestört ausbreiten konnte, sich plötzlich das Birkhuhn unwohl zu fühlen begann. "Was geschieht nun? Das Birkhuhn zieht sich zurück, stattdessen fühlen sich Wildschweine und Füchse wohl, genauso standortfremde Pflanzen. Und die Landwirte wundern sich, die Touristen, die gekommen waren, um sich an der schönen Landschaft zu freuen, wundern sich genauso", entwickelte Otte das Bild der Folgen eines falsch ansetzenden Naturschutzes.

Es gehe nicht darum, sich um den Erhalt möglichst jeder gefährdeten Art Gedanken zu machen, sondern darum, wie man der sich ausbreitenden fremden Arten Herr werden könne. Als Beispiele nannte sie unter anderem die Lupine. und den Riesen-Bärenklau.

Mit dem Blick in die Geschichte wies Otte darauf hin, dass seit rund 7000 Jahren die europäische Landschaft der ackerbaulichen Gestaltung durch den Menschen unterliege. Mit Einwanderern aus Südosteuropa sei der Brauch der Bodenbearbeitung gekommen. Am Anfang seien in einem damals vermutlich großen Wald kleine Rodungsinseln entstanden. Dort hätten die Menschen gesiedelt, ringsum ihren Ackerbau betrieben. Mit der Zeit sei der Platz eng geworden. Die Menschen wichen teilweise in die Berge zurück, betrieben dann dort Ackerbau. Dies habe wiederum Folgen für die Bodenbeschaffenheit durch Erosion gehabt. Bachläufe seien nach und nach entstanden. Dort wiederum siedelte sich entsprechende Pflanzen an. Im Laufe der Zeit sei so die uns bekannte Kulturlandschaft entstanden, um deren Erhalt es letztlich gehe, wenn vom Naturschutz gesprochen werde. Und diese Arbeit könne auf Dauer nur von kundigen Fachleuten geleistet werden. "Wie sollen wir das denn ändern, und wer bezahlt uns denn für diese Arbeit", wollte ein Landwirt wissen, der von seinen vergeblichen Versuchen berichtete, bei rund 100 Hektar die Verbuschung in den Randbereichen zu vehindern.

Dies sei gerade die Herausforderung, der Gesellschaft klar zu machen, dass hier genauso geldwerte Arbeit zur Erhaltung der Landschaft und ihrer Artenvielfalt geleistet werde wie dies bei der restlichen Arbeit landwirtschaftlicher Betriebe der Fall sei, meinte Otte darauf. Sie wies daraufhin, dass es mittlerweile für Landwirte die Möglichkeit gebe, sich zum Fachagrarwirt für Landschaftschaftspflege ausbilden zu lassen. Dies sei eine Fortbildung, die in zwei Winterhalbjahren geleistet werden könne.

"Auf die Weise gibt es eine Möglichkeit, gerade in den peripheren Gebieten für neue Erwerbstätigkeiten dort ansässiger Landwirte zu sorgen. Die Arbeit bisher größtenteils ehrenamtlich durch Initiativen geleistet wird, könnte so von Profis erledigt werden, die sich in ihrer Gegend bestens auskennen", wies Otte mögliche Chancen für die Landwirtschaft in den betroffenen Gebieten nach.

 

 

SPEZIAL. Riesen-Bärenklau und Lupine haben eins gemeinsam. Sie sind nicht nur so genannte Neophyten, also "pflanzliche Neubürger", wie Professorin Annette Otte vom Lehrstuhl für Landschaftsökologie und Landschaftsplanung der Justus-Liebig-Universität Gießen sagt, sie sind auch giftig. Der Riesen-Bärenklau sondert eine Flüssigkeit ab, die in Verbindung mit Sonnenlicht auf der Haut Verätzungen und Verbrennungen ersten und zweiten Grades hervorrufen kann. Die Lupine, so schön sie aussehen mag, ist zumindest für den Menschen alles andere als zum Verzehr geeignet. Rund 43 Bäume, Sträucher, Büsche und Blume finden sich auf einer Liste, die der DRK-Ortsverband Pulheim für Ausbildungszwecke zusammengestellt und im Internet veröffentlicht hat. Ungefähr 20 Arten dagegen sind nicht giftig und daher für den Anbau in Gärten oder Anlagen geeignet.

Weitere Infos: www.drk-pulheim.de/inhalt/ausbildung/Vergiftung/giftpflanzen.html

 

Professur Otte Gießen

Landschaftsökologie und Landschaftsplanung